Auf zum Grande Finale! Der vierte und letzte Band der Neapolitanischen Saga „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante ist erschienen. Spannend, mitreißend und zugleich episch ist die Geschichte des verlorenen Kindes. Mit ihr endet einer der großartigsten und wichtigsten Romane der Gegenwartsliteratur.
Mit ein bisschen Wehmut habe ich dien letzten Band der Neapolitanischen Saga von Elena Ferrante gelesen. Neugierig zwar und unheimlich gespannt auf das Ende, aber auch traurig, dass die Geschichte der beiden Freundinnen nun endet.
„Die Geschichte des verlorenen Kindes“ spielt im Neapel der Achtziger Jahre,
in das die Erzählerin Elena mit ihren beiden Töchtern zurückgekehrt ist. Sie ist dort näher bei ihrem geliebten Nino Sarratore, dem Vater ihrer zweiten Tochter. Über seinen Charakter erfährt sie häppchenweise die ganze Wahrheit, die sie wohl schon geahnt hat, aber sich nicht eingestehen wollte. „In solchen Momenten sah ich was ich wirklich war: hörig, bereit, immer das zu tun, was er wollte, (…)“ (S. 177). In Neapel intensiviert sich die Freundschaft zwischen ihr und Lila wieder – im selben Haus wohnen sie nun ganz nah beieinander mitten im Rione. Auch weil Elena meint, als Autorin käme das Leben in Neapel ihren Geschichten zugute. Lila hingegen ist mittlerweile eine erfolgreiche Unternehmerin, die gemeinsam mit ihrem Freund eine Computerfirma aufgebaut hat. Ihr Erfolg hat jedoch seinen Preis, denn er zieht sie ins verbrecherische Milieu des Rione. Schließlich geschieht etwas Schreckliches, Unerklärliches, was ihr ganzes Leben verändert. Ich möchte es bei diesen Andeutungen belassen und die Handlung bzw. das Ende nicht spoilern. Nur so viel: Es ist ein spannendes handlungsgeladenes Buch ohne längere geschichtliche Einschübe wie in „Die Geschichte der getrennten Wege “ (dritter Band). Für mich sind Band 1 „Meine geniale Freundin“ und Band 4 die stärksten Bände der Tetralogie, emotionsgeladen und voll neuer Entwicklungsprozesse.
Wie schon bei den Vorgängerbänden ist es die nüchterne und epische Sprache Ferrantes, die mich immer wieder in ihren Bann zieht. Es ist ihr unnachahmlicher Stil, das Wechseln von direkter und indirekter Rede, die Ich-Form mit einer Erzählerin, die auch in leidenschaftlichen und geladenen Situationen nie zu Übertreibungen neigt. Als Leserin erlebt man ein detailliertes Panorama vom Italien der Nachkriegszeit bis ins neue Jahrtausend, 60 Jahre bewegte Geschichte mit den politischen Umwälzungen der Siebziger Jahre und der Entwicklung der Frauenbewegung. Ferrantes Blick auf die Welt ist dabei weiblich und definiert sich auch und oft vor allem über Beziehungen. Themen wie Bildung, die hart erkämpft werden muss, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Freundschaft stehen im Vordergrund.
Die deutsche Übersetzerin Karin Krieger hat bei „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ wieder großartige Arbeit geleistet. Selbst ist sie nach Neapel gereist, um das Rione von Elena und Lila zu durchwandern und in das Grundgefühl der Stadt einzutauchen – immer spürbar und schön nachzulesen im Interview mit der Süddeutschen im Juli 2017.
Tipp: TV-Sendung „Ferrante Fever“ ,
ausgestrahlt am Weltfrauentag 2018 in arte. Schriftsteller wie Roberto Saviano („Gomorrha“) oder Jonathan Franzen („Die Korrekturen“) sprechen dort über die Faszination von Ferrantes Tetralogie. Wiederholungen werden hier bekannt gegeben: https://programm.ard.de/TV/arte/ferrante-fever/eid_28724543595842
Fazit: Auch mich hat das Ferrante Fieber gepackt und ich möchte noch weitere Bücher der Autorin lesen. Und ich hoffe sehr, dass in Zukunft der Wunsch nach Anonymität der unter einem Pseudonym schreibenden Elena Ferrante respektiert wird und noch weitere Werke folgen werden.
Die Geschichte des verlorenen Kindes: Band 4 der Neapolitanischen Saga Reife und Alter) (Neapolitanische Saga) *
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (2. Februar 2018)
ISBN-10: 3518425765
ISBN-13: 978-3518425763
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