Italien im Herzen

TV-Serie „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante

Endlich ist sie gestartet: die TV-Serie „Meine geniale Freundin“ zu Elena Ferrantes berühmter neapolitanischer Saga. Der italienische Fernsehsender RAI UNO hat sich in Kooperation mit dem amerikanischen HBO an die Verfilmung des Weltbestsellers gewagt. Am Dienstag ist die erste Staffel im RAI UNO angelaufen. Und ich fand sie wunderbar!

Neapel, gesehen von San Martino

Neapel, gesehen von San Martino auf dem Vomero

Wer meinen Blog kennt weiß, dass ich ein großer Fan der Neapolitanischen Saga „Meine geniale Freundin“  bin. Bereits vor der Verfilmung ist in meinem Kopf „großes Kino“ entstanden – wie bestimmt auch bei Millionen anderer Leser! Deshalb freue ich mich schon lange auf den Beginn der TV-Serie im italienischen Fernsehen. Am Dienstag war es endlich soweit. Die erste von vier jeweils achtteiligen Staffeln ist im RAI UNO angelaufen. Die ersten beiden Episoden aus dem ersten Band haben mir sehr gut gefallen, sie waren spannend und stimmten mich gleichzeitig sehr nachdenklich. Unten habe ich alle Eindrücke und Infos zusammengefasst.

Hier der englische Trailer zur TV-Serie „Meine geniale Freundin“ 
https://www.youtube.com/watch?v=PXCKYOlIgTQ 

Neapolitanisch mit Untertiteln

Die Verfilmung ist im Originalton Neapolitanisch mit italienischen (bzw. englischen) Untertiteln, was ich auch als den einzig möglichen authentischen Weg sehe. Auch wenn in den übersetzten Untertiteln Nuancen verloren gehen (so sagt mein Neapolitanisch sprechender Mann), hört man den Klang des Neapolitanischen, melodisch und kraftvoll. Auch bei der englischen Fassung wird die neapolitanische Fassung mit Untertiteln gezeigt werden, was ich wirklich gut finde.

Die Verfilmung ist eine Koproduktion von RAI UNO mit HBO, einem US-amerikanischen TV-Programmanbieter aus New York. Auch HBO wird die Koproduktion von „My Brilliant Friend“ im November im neapolitanischen Originalton, aber natürlich mit englischen Untertiteln zeigen. Wann die Serie ins deutsche Fernsehen kommt, steht noch nicht fest. Sobald ich nähere Infos habe, werde ich sie hier ergänzen.

Das Rione, Atmosphäre und Drehort

Überrascht hat mich, dass meine Vorstellung von dem von Ferrante sehr atmosphärisch geschilderten Rione so gar nicht meinen Vorstellungen entsprochen hat. Das liegt zum einen daran, dass meine Phantasie es „fälschlicherweise“ in die enge Innenstadt verlegt hat, obwohl es eigentlich in der östlichen Peripherie von Neapel liegt. Und zwar im Rione Luzzati di Gianturco. Das galt nach dem Zweiten Weltkrieg als das ärmste Rione Neapels und war in der Hand der Camorra. Die Häuser mit hellen Fassaden haben Wohnungen mit großen Fenstern, die an einer beinahe sonnigen wirkenden Piazza liegen. Mit dem centro storico in meinem Kopf, das eng und teilweise düster ist, hat das wirklich nichts zu tun. Sogar die Treppenhäuser sind großzügig angelegt. So ist das eben mit dem Kopfkino…. Allerdings finde ich, dass der Drehort wirklich ein bisschen wie eine Filmkulisse wirkt, die sie ja auch ist. Denn der tatsächliche Drehort ist Caserta, eine Stadt im Norden von Neapel. Ist meine Imagination vielleicht in die Klischeefalle getreten?

Lenù und Lila: Wunderbare Schauspielerinnen

Keine Frage: Die Mädchen Elisa Del Genio (Lenù) und Ludovica Nasti (Lila) spielen einfach zauberhaft, ausdrucksstark und ja – sie sind sehr dicht an meinem Bild dran, dass ich von ihnen hatte. Lila (die untere auf dem rechten Buchcover der ital. Ausgabe) als die temperamentvolle und mutige, Lenù (oben) die zartere zurückhaltendere.

Die Regie hat es sich beim Casting der Schauspieler nicht leicht gemacht. 9000 !!! Kinder und 500 Erwachsene wurden gecastet, bevor man dann die Rollen mit 5000 Statisten und 150 Schauspielern besetzte. Viele der Schauspieler sind eigentlich gar keine, sondern Laiendarsteller. Alle wirken sie authentisch – von der beim Wegzug ihres Geliebten herzzerreißend schreienden Melina bis zur fiesen Solara-Mutter und ihren brutalen Söhnen. Auch die Lehrerin Oliviera macht ihre Sache so gut, dass sie bei mir sogar Wut erzeugt. Im Film wie im Buch, weil sie sich nicht mehr für Lila einsetzt und sie sogar in eine verlorene Ecke stellt, wohl voll Ärger über ihr als persönlich empfundenes Versagen. Ich finde alle Figuren sind toll getroffen und machen die Verfilmung lebendig.

Die ersten TV-Episoden: „Le bambole“ und „I soldi“

Die ersten zwei Episoden spielen wie der ganze erste Band im Neapel der 1950er. In Episode 1 „Le bambole“ („Die Puppen“) freunden sich die beiden recht unterschiedlichen Mädchen Elena (Lenù) und Raffaella (Lila) miteinander an. Sie gehen in dieselbe Grundschulklasse und leben im selben Stadtviertel in Neapel, das fest in der Hand von Don Achille ist. In „I soldi“ („Das Geld“) kaufen sie sich mit dem Geld von Don Achille das Buch „Piccole donne“ („Kleine Frauen“), lesen es immer wieder gemeinsam und beschließen später Schriftstellerinnen zu werden. Obwohl ihre Lehrerin für beide die Empfehlung ausspricht, auf die Mittelschule zu gehen, darf es nach vielen familiären Widerständen nur eine von beiden…

Brutalität, Armut und Angst

Das von den Gesetzten der Straße und Angst geprägte Umfeld, kommt in den ersten zwei Episoden gut rüber. Weil sie die Mittelschule machen möchte, wird Lila von ihrem brutalen Vater aus dem Fenster geworfen – eine stark emotionale Szene. Es wird gut vermittelt, wie schwer es Mädchen hatten (und haben…) sich in einem solchen Umfeld zu behaupten. In einer Gesellschaft in der kluge Mädchen zu ihrer eigenen Sicherheit nicht nur in der Schule besser die Klappe halten und Männer das Sagen haben. In der sie immer ihren Brüdern den Vortritt lassen mussten nach der Grundschule weiter zulernen. Es ist spannend zu erleben, wie die beiden Freundinnen um ihre kleinen Freiräume kämpfen und sich ein Stück Normalität erobern – etwa mit dem Lesen eines Buchs, gekauft vom Geld des Viertel-Bosses Don Achille. Das ist für mich bezeichnend für den weiteren Verlauf des Romans: der Wunsch nach Ausbruch und Freiheit, der sich ausgerechnet durch einen Menschen erfüllt, der mitverantwortlich dafür ist, dass genau das nahezu unmöglich ist.

Mein Eindruck der TV-Serie „Meine geniale Freundin“

Ich denke, nicht nur wer die Saga gelesen hat, wird die Verfilmung spannend und aufwühlend finden. Vor allem die Darbietung der vielen mitspielenden Kinder ist beeindruckend.
Wer meint, dass eine Literaturverfilmung generell entzaubernd wirkt, kann versuchen den Film als  etwas anderes zu sehen – eine eigene Kunstform, die einem Roman nie gerecht werden kann. Das hilft mir immer gut. Ich werde mir garantiert auch die anderen Folgen der ersten Staffel ansehen, aber diesmal mit Brille für das einfachere Lesen der Untertitel! Ein kleines bisschen Neapolitanisch verstehe ich zwar, aber für einen ganzen Film reicht es leider nicht.

Der Weltbestseller als Serie? Kann das gut gehen?

Natürlich wird jetzt viel über die Verfilmung diskutiert werden, es wird Verrisse geben und auch großes Lob. Ich persönlich freue mich, dass Ferrantes Werk nicht als Hollywood-Streifen verfilmt wurde. Ich denke, ein kurzer Kinofilm könnte dem sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Werk nicht gerecht werden. Großartig finde ich, dass die unter dem Pseudonym Elena Ferrante schreibende Autorin bei der Adaption mitgewirkt hat, allerdings ohne ihre geheime Identität aufzudecken.

Details zur TV-Serie „Meine geniale Freundin“

Produzent: Ko-Produktion des italienischen Fernsehsenders RAI UNO und des US-amerikanischen Fernsehsenders HBO
Staffeln: Vier Staffeln mit jeweils acht Folgen. Jede Staffel verfilmt einen Band. Bis Weihnachten läuft die erste Staffel in RAI UNO. In den kommenden drei Jahren sollen dann die Staffeln mit der Verfilmung der anderen drei Bände „Die Geschichte eines neuen Namens„, „Die Geschichte der getrennten Wege“ , „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ folgen.
Regisseur: der Italiener Saverio Costanzo
Mit für die Adaption verantwortlich: Elena Ferrante
Ausstrahlung der ersten Folge mit den Episoden „Le bambole“ („Die Puppen“) und „I soldi“ („Das Geld“): Dienstag, 27.11.2018, 21.30 Uhr im RAI UNO (Neapolitan. mit ital. Untertiteln). Weitere Doppelfolgen der ersten Staffel: im RAI UNO jeden Dienstag bis Weihnachten