Sie sprüht vor Schönheit und Lebensfreude: die süditalienische Hafenstadt Neapel. Unvergesslich bleibt ein Spaziergang auf der Strandpromenade zum zauberhaften Jachthafen Santa Lucia, wo eine geheimnisvolle „Eierburg“ auf ihre Entdeckung wartet. Ganz leise hört man dort noch heute den betörenden Gesang der Sirenen und taucht ein in zauberhafte Geschichten. Begleite uns auf der Suche nach den Ursprüngen Neapels und erfahre, warum die Neapolitaner auch Partenopei genannt werden.
Die Promenade in Neapel ist sozusagen das Kontrastprogramm zu den engen und verwinkelten Gassen der Altstadt. Sonnig, breit und kilometerlang erstreckt sie sich von Santa Lucia bis zum Fischerhafen von Mergellina. Hier verbringen die Neapolitaner ihre Freizeit, joggen, fahren Rad und machen Spaziergänge mit der ganzen Familie. Während die Altstadt den Blick auf unzählige Sehenswürdigkeiten lenkt, verliert sich das Auge an der Strandpromenade in einem Meer aus Farben. Besonders der Sonnenuntergang ist ein Spektakel: Wenn „o‘ sole di Napoli“ langsam hinter dem Hügel von Posillipo verschwindet, taucht sie die pastellgelben Mauern des Castel dell’Ovo in ein warmes Licht und lässt den Vesuv beinahe rosa erscheinen.
An einem sonnigen Nachmittag im Juni beginnen wir unseren Spaziergang an der Piazza Plebiscito. Dort steht der Palazzo Reale (Königspalast), eines der bekanntesten Gebäude der Stadt. Er war früher die Residenz der Könige von Neapel und beherbergt heute ein Museum. Unter dem Palazzo führt der Tunnel Galleria Borbonica zum Stadtviertel Chiaia, einst gebaut als Fluchtweg für den König. Seine Besichtigung ist unbedingt empfehlenswert, denn man erfährt bei der Führung viel Interessantes über die Geschichte der Stadt.
Gegenüber der Piazza Plebiscito lohnt das Gran Caffè Gambrinus einen Abstecher. Das elegante Kaffeehaus im Stil der Belle Époque ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts Treffpunkt von Literaten, Politikern und Künstlern. Seine Theke mit süßen Leckereien ist überwältigend und „il caffè“ schmeckt – wie überall in Neapel – einfach wunderbar. Überhaupt ist die Stadt ein Eldorado für Schleckermäuler. Zu den köstlichsten neapolitanischen Spezialitäten gehören Sfogliatella, ein unwiderstehliches Gebäck aus Blätterteig mit einer süßen Ricottafüllung, und der pilzförmige Rumkuchen Babà.
Die panoramische Via Cesario Console führt in der Nähe der Piazza Plebiscito hinunter nach Santa Lucia. Für viele neapolitanische Emigranten, die mit dem Schiff nach Amerika aufbrachen, war dieses Viertel das letzte Bild ihrer Heimat. Deshalb steht es wie kein anderer Stadtteil für Melancholie und Sehnsucht, was gut in dem neapolitanischen Lied „Santa Lucia luntana“ von E. A. Mario (1919) zum Ausdruck kommt: „Santa Lucia! / Luntano ‚a te, / quanta malincunia!“ (auf Deutsch: Santa Lucia! / so weit entfernt von dir / was für ein Heimweh!)
Über die Via Partenope laufen wir zum zauberhaften Castel dell’Ovo, ein von Geschichten umrankter Ort. Der Name Castel dell’Ovo bedeutet „Eierburg“ und kommt von einer kuriosen Legende, nach welcher der Dichter Vergil ein Ei ins Fundament gelegt haben soll. Die Bevölkerung glaubte, solange das Ei nicht zerbrechen würde, wäre auch die Stadt vor einem Unglück geschützt. Romantisch ist die Lage der Burg auf dem Inselchen Megaride, das durch eine Brücke mit der Promenade verbunden ist.
Aber der Ort hat noch eine viel wichtigere Bedeutung, denn dort liegen die Ursprünge des antiken Namens von Neapel: Partenope (dt. Parthenope). Ein Mythos besagt, dass Odysseus beim Segeln vom Gesang der Sirenen bezirzt wurde. Der kluge Held lies sich jedoch an den Schiffsbaum binden, um ihrem magischen Lied nicht zu verfallen. Die Sirene Partenope stürzte sich daraufhin vor Wut ins Meer und wurde genau dort angeschwemmt, wo heute die Burg steht – an der Via Partenope. Deshalb nennt man die Neapolitaner als Nachkommen der Sirene auch „Partenopei“.
Traumpanoramen, wohin das Auge schweift! Ein ständiger Begleiter beim Spaziergang auf der Promenade ist der Vesuv, der die ganze Bucht von Neapel überragt. Und nicht nur das: An einem klarem Tag erscheint die wunderschöne Insel Capri zum Greifen nah! Sie ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel und liegt tatsächlich nur eine gute Stunde vom Festland entfernt.
Auf der für den Autoverkehr geschlossenen Via Partenope kommen uns viele Fahrradfahrer entgegen. Wer (wie ich) seine Füße entspannen möchte, mietet sich am besten ein „Risciò“, die charmante italienische Variante einer Rikscha. Zum Fahren muss man zwar ein bisschen in die Pedale treten, aber zu zweit geht es ganz einfach.
Es macht Spaß, sich durch das Getümmel aus Radfahrern und Spaziergängern zu schlängeln und sich dabei die angenehme Meeresbrise um die Nase wehen zu lassen.
An der Via Partenope liegt das berühmteste Hotel der Stadt – das Grand Hotel Vesuvio. Sein Dachrestaurant wurde nach einem berühmten früheren Stammgast, dem neapolitanischen Tenor Enrico Caruso, benannt. Doch unsere Ziel ist der Jachthafen Santa Lucia gegenüber, wo es köstliche Restaurants mit erschwinglichen Preisen gibt. Von den Terrassen des Ristorante Ciro am Fuße der Burg beobachte ich fasziniert, wie sich der Vesuv in der Abendsonne rosa färbt .
Oh – war das lecker! Die Vorspeise aus frittierten Algen (Zeppole), Sardellen und Bruschetta mit frischen Tomaten, originell dekoriert mit knackig frittierten Spaghetti, ist ein kulinarisches Highlight. Nach köstlichen Spaghetti Vongole (Spaghetti mit Venusmuscheln) genießen wir den Sonnenuntergang und bedauern, das wir am nächsten Tag zurückfliegen müssen. Ja, es ist wahr: Die neapolitanische Küche gehört zu den besten Italiens und ist neben ihrer unvergleichlichen Pizza auch für Pastagerichte mit Meeresfrüchten, frischen Fisch, Büffelmozzarella und Gemüsevorspeisen bekannt.
In einer Bar direkt am Jachthafen trinken wir ein Gläschen Limoncello, das ist der traditionelle Zitronenlikör der Sorrent- und Amalfiküste. Ein Sänger mit einer Gitarre zieht von Tisch zu Tisch und spielt neapolitanische Lieder – für einen Moment fühlen wir uns wie in einem italienischen Film aus den 50er-Jahren.
Langsam wird es dunkel und wir schlendern ein bisschen durch die Gassen am Borgo Marinari, wo sich die Lokale aneinanderreihen. In einem marokkanischen Café liegen junge Leute auf gemütlichen Sofas und rauchen Wasserpfeifen, eine Gruppe Japaner fotografiert den Vesuv aus allen möglichen Perspektiven und Neapolitaner schlendern lässig durch die Gassen. Der Borgo Marinari ist sicher einer der schönsten Orte, um das quirlige Nachtleben Neapels zu erleben.
Auch auf der Promenade geht es nachts sehr lebhaft zu: Fliegende Händler verkaufen Souvenirs und es ist nicht einfach, einen Platz in einem Straßencafé zu bekommen. Aber das macht nichts: Wir sitzen auf der Mauer vor dem Castell dell’Ovo und freuen uns über den wunderbaren Blick auf die Promenade. Der Eindruck vom Lichtermeer der Häuser unter dem Vesuv wird uns immer begleiten.
So kommt man hin
Am besten mit der U-Bahn Linie 1 bis zur neuen Haltestelle Piazza Municipio am Hafen fahren und von dort weiter Richtung Piazza Plebiscito/Castel dell’Ovo laufen. Alternativ kann man den Bus bis zur Haltestelle Riviera di Chiaia nehmen. Wer mit dem Kreuzfahrtschiff anlegt, erreicht die Promenade schnell zu Fuß.
Mehr Informationen über Neapel gibt es unter www.portanapoli.de.
August von Platen hat dem Vesuv mehrfach einen Platz in seinen Gedichten einger umt. In der Ekloge